Fünf Fragen an … Christian Ganzer, Kurator im ZOOM Kindermuseum

Herr Ganzer, die aktuelle Ausgabe von Papperlapapp dreht sich um Fragen wie: Was können wir tun, um die Umwelt zu schützen bzw. unsere Erde weniger zu belasten und ein gutes Miteinander  zu leben? Also Fragen der Gegenwart für die Zukunft. Was sind die Ansätze Ihrer Ausstellung „Willkommen in der Zukunft!“ im ZOOM Kindermuseum?

Zwei Dinge wollten wir vermeiden, nämlich zum einen das Ausmalen von Schreckensszenarien, den Fünf-vor-Zwölf-Alarmismus bzw. das Heraufbeschwören der Klimakatastrophe; und zweitens die Science-Fiction-Vorstellungswelt à la fliegende Autos, Roboter, hochkomplexe KIs, die Besiedlung des Weltraums usw. Stattdessen haben wir auf die beiden Themen Zukunft und Nachhaltigkeit fokussiert.

Die Kinder, die diese Ausstellung besuchen, sind zwischen sechs und zwölf Jahre alt, und wir wollten ihnen vor allen Dingen positive Visionen von der Zukunft vermitteln, sie in ihrer eigenen optimistischen Sicht bestärken. Letztlich ging es uns um eine Perspektivänderung: weg von der Dystopie, hin zu Utopien und zu einer „Lust auf die Zukunft“.

Wie haben Sie das Konzept konkret umgesetzt?

Wir haben es in sechs Themenblöcken abgehandelt. Wir beginnen in einem Planetariums-Zelt und schauen, anders als sonst, nicht ins All, sondern von dort aus auf unseren schönen blauen Planeten. Der Blick darauf macht deutlich, dass wir nur eine Erde haben und eine Menschheit sind und die Zukunft letztlich nur global und vernetzt sein kann. Dieser Blick von außen auf die Erde macht uns klar, wie einzigartig, wunderbar und vielfältig sie ist, und daraus ergibt sich der Auftrag an uns Menschen ganz von selbst, sie zu schützen und intakt von Generation zu Generation weiterzugeben. Die Perspektivenumkehr gleich am Anfang zieht die Kinder sozusagen in die Thematik hinein.

Die zweite Station besteht aus sechs Türen, deren unteres Drittel abgeschnitten ist, sodass die Kinder hineinschauen und -kraxeln können. Dort öffnen sich Gänge, und sie sind mit Hindernissen konfrontiert. Sie sehen auch nur bis zu einem bestimmten Punkt, und von dort aus geht es weiter ins Unbekannte. Will heißen: Wir sehen das Morgen vor uns, aber nicht das Übermorgen. Ein Gang geht bergauf, den die Kinder hochrobben. Ein anderer ist wie ein Schlupfloch, das sie entlangkriechen. Wieder ein anderer ist ein Klettergang mit einer Rutsche, und einer ist verrammelt, das ist eine „Sackgasse“. Die Türen und Gänge sind symbolhaft dafür, dass es nicht die eine Zukunft gibt, sondern dass viele Wege dorthin führen.

Der dritte Raum beschäftigt sich mit Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit am Beispiel von Jeans. Dazu haben wir eine Menge Jeans aus Altkleidersammlungen übernommen, aus denen die Kinder alles Mögliche schneidern – zum Beispiel Handyhüllen oder Polsterüberzüge – und sich kreativ damit austoben können. Jeans werden, wie andere Textilien auch, unter großem Einsatz von Wasser und Chemie zum Färben hergestellt. Und gerade sie wurden ursprünglich als strapazierfähige, langlebige Arbeitshosen konzipiert. Umso mehr gilt es, sie länger zu tragen und etwas daraus zu machen, wenn sie kaputt sind – statt sie entsprechend dem Modezyklus bald wieder zu ersetzen und wegzuwerfen. Hier wollen wir wieder neue Sichtweisen vorstellen und das Bewusstsein in puncto Konsumverhalten ändern.

Der vierte Block ist das „Future Lab“, das mit echten und künstlichen Pflanzen und sogar mit Fischen bestückt ist. Dort können die Kinder unter dem Mikroskop Mikroalgen beobachten, mit sensorgesteuerten Roboterpflanzen interagieren oder biologische Farben herstellen. Die Botschaft ist, dass wir mithilfe natürlicher Stoffe viele nützliche Dinge produzieren können – dass die Technik allein aber nicht die Lösung ist, sondern es darum geht, die Natur mit einzubeziehen. Die Bionik weist da in die richtige Richtung.

Im fünften Block haben wir eine „Rhythmusmaschine“ geschaffen, auf der die Kinder Beats produzieren und sich überlappen lassen können. Die Message: Je mehr wir gemeinsam daran arbeiten, desto toller hört es sich an! Und das gilt natürlich nicht nur für die Musik, sondern für alles, was wir gemeinsam gestalten.

Der letzte Raum hat dann doch etwas mit Sci-Fi zu tun: Dort kann ein „Reiseticket in die Zukunft“, genauer, ins Jahr 2047, gelöst werden. Die Kinder geben bestimmte Daten ein: Wo sie arbeiten wollen, beispielsweise auf den Galapagos-Inseln, weil dort diese oder jene Tier- oder Pflanzenart zu schützen ist; wie sie dorthin kommen, etwa mit der fliegenden Fähre oder dem Turbozug, mit einer Schwarmflotte oder einem Libellenopter; und welchen „Green Job“ einer phantastischen Zukunft sie haben wollen, so etwa Quallendompteur*in, Ozeanotekt*in oder Hitzebändiger*in. Die Tickets werden ausgedruckt, kuvertiert und den Kindern gegeben. Wenn sie sie aufheben, können sie sie in 25 Jahren wieder öffnen und mit der Welt, in der sie dann leben, vergleichen.

Ab welchem Alter haben Kinder Ihrer Erfahrung nach überhaupt eine Vorstellung von Zukunft?

Ein guter Ansatz, Kindern das Thema Zukunft näherzubringen, ist, es vom Konzept der Zeit her aufzuzäumen. Kinder haben vielleicht wenige Vorstellungen von der Zukunft, aber sie wissen etwas über ausgestorbene Tierarten, Stichwort Saurier. Oder über überkommene Berufe, wie zum Beispiel den Laternenanzünder, den Wagner, Köhler oder Türmer. Die nähere Zukunft ist sehr wohl im Bewusstsein der Kinder, wie zum Beispiel, welche Aufgaben habe ich für die Schule morgen vorzubereiten oder wie wird das Wetter. Und auch mit Daten in der etwas ferneren Zukunft, wie etwa dem eigenen Geburtstag oder Weihnachten, können sie etwas anfangen. Je größer sie sind, desto mehr begreifen sie das Konzept von Zukunft, ich würde das ab dem Volksschulalter ansetzen.

Wie konzipieren Sie Ihre Ausstellungen und was ist das Thema Ihrer nächsten?

Ich entwickle das jeweilige Konzept, und sobald es fertig ist, stelle ich ein Team zusammen, um es zu realisieren – wobei ich bei jeder Ausstellung mit anderen Gestalter*innen, Künstler*innen und Techniker*innen zusammenarbeite.

Die Ausstellung, die wir gerade planen, wird „Kunst und Spiele“ heißen, es wird zugleich unsere Jubiläumsausstellung anlässlich von 30 Jahren ZOOM Kindermuseum sein. Es wird darum gehen, wie und dass wir die Welt und uns selbst spielerisch erfahren. Dazu gehören Themen wie das Zusammenspiel mit anderen, Spielregeln, freies Spiel usw. sowie die innere Verwandtschaft von Kunst und Spiel. Gerade diese letztere Verbindung ist ja in die DNA des ZOOM eingeschrieben.

Was ist aus Ihrer Erfahrung als Kurator besonders zu beachten, wenn man Ausstellungen für Kinder realisiert? Gibt es Parameter, Regeln oder Erfolgsrezepte in Sachen Dramaturgie und Design, damit die Vermittlung der Inhalte an die Kinder gut funktioniert?

Im Unterschied zu normalen Museen arbeiten wir ausschließlich mit Vermittler*innen, die durch die jeweilige Ausstellung führen. Sie begleiten und führen die Kinder durch, erläutern die Themen zusätzlich und erleichtern das Verständnis. Begleittexte sind immer vorhanden, aber die sind vor allem für die Begleitpersonen, also Eltern, Familie, Lehrer*innen sowie die größeren Kinder gedacht. Da die kleineren noch nicht oder nicht so gut lesen können, gehen wir davon aus, dass die Ausstellung auch ohne Text funktionieren muss – freilich aber nicht ohne die erklärenden Worte der Vermittler*innen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es Mitmachausstellungen sind, d.h., sie sind interaktiv und partizipativ. Dadurch bleiben die Kinder auch besser und länger „dran“.
Bei der Gestaltung der Räume achten wir auf die „Usability“, d.h., dass sie für die Kinder einladend sind, darin zu agieren und zu interagieren. Und darauf, dass gruppendynamische, aber auch Konzentrations-Ecken vorhanden sind. Dabei sind auch Details zu berücksichtigen wie zum Beispiel, wie man in lauten Räumen Nischen entwickelt, in denen sich Kinder konzentrieren können. Nicht zuletzt muss das Ganze appetitlich und anregend aussehen, und Witz und Humor sollten auch dabei sein. All das wird nicht verhindern können, dass es mit der Aufmerksamkeitsspanne der Kinder nach etwa 90 Minuten rapide bergab geht – aber glücklicherweise entspricht das genau der Dauer unserer Ausstellungen!

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Mag. Christian Ganzer ist Kurator und Ausstellungsleiter im ZOOM Kindermuseum www.kindermuseum.at im Museumsquartier in Wien. Er ist fast seit dessen Gründung (1994) mit dabei. Die Ausstellung „Willkommen in der Zukunft!“ läuft noch bis 30. Juni 2024.